Die Vorbereitung auf den Lehrerberuf läuft nicht überall gleich ab, aber eines haben alle Lehrer gemeinsam: Sie mussten irgendwann mal ein Studium absolvieren, häufig ist es vermutlich ein Lehramtsstudium. Üblich ist heute, einen Bachelor in zwei Fächern zu absolvieren, häufig ein Bachelor of Arts, um ein Master-Studium, den Master of Education, anzuhängen und danach ins Referendariat zu starten. Das Referendariat war die für mich lehrreichste Zeit in Hinblick auf meinen jetzigen Beruf – ich denke, es wird den Meisten so gehen. Doch wie erlebe ich im Nachhinein mein Studium? Hat es mich gut vorbereitet? Wo sehe ich Schwachstellen, wo Stärken? Darüber möchte ich heute schreiben.
Warum mich das Thema gerade beschäftigt
Das Thema kommt nicht von ungefähr. Wisst ihr, wer mir gerade ein bisschen auf die Pelle rückt? Die Humboldt Universität zu Berlin, an der ich 2010 bis 2016 studiert habe. Qualitätssicherung ist eine wichtige Sache, da brauchen wir gar nicht drüber diskutieren. Ehemalige Studierende aber im Abstand von etwa zwei bis drei Wochen nicht nur zweimal, sondern bisher schon dreimal mit Post zu nerven, um an einer solchen in Form einer Umfrage mitzuwirken, finde ich fast schon anmaßend. Insbesondere, wenn man mahnend auf das bisherige Ignorieren der Briefe hingewiesen wird. Ich hatte durchaus vor, an der Umfrage teilzunehmen, um der Uni mitzuteilen, wie sehr mir die Willkür und die realitätsferne Ausbildung der didaktischen Mitarbeiter aufgestoßen sind. Aber auf diese Weise? Ich weiß nicht.
Dennoch hat mich der Umstand dazu gebracht, mal ganz genau darüber nachzudenken, wieviel mir das Lehramtsstudium eigentlich gebracht hat.
Aller Anfang war schwer: Über die fachliche Tiefe
Ich weiß noch ganz genau, was einer meiner Mathematik-Professoren in der ersten Vorlesung „Lineare Algebra und analytische Geometrie I“ sagte. Egal, ob Grundschullehrer oder Gymnasiallehrer – wir alle sollten am Ende des Studiums wissen, woher die Zahlen kommen. Deshalb müssten wir auch alle die selben Inhalte lernen, egal in welchen Schulstufen wir später unterrichten werden. Ich habe lange nicht verstanden, warum ich derart tief in die Mathematik einsteigen musste, wenn ich den Großteil nie brauchen würde. Und seien wir ehrlich: Ich habe den Großteil des im Studium Gelernten nie wieder gebraucht. Im Fach Informatik ist das übrigens ganz anders: Mit den Inhalten des Studiums bin ich da tagtäglich konfrontiert und unterrichte sie.
Was dennoch bleibt: Der Anteil an Fachwissenschaft und Didaktik sind aus meiner Sicht nicht angemessen hinsichtlich des eigentlichen Berufsziels.
Viel Theorie, wenig Praxis: Über die praktischen Anteile
Wer heute an der Humboldt Universität einen Lehramtsstudiengang absolviert, hat im Master ein Praxissemester, in dem man jede Woche in der Schule tätig ist und selbst unterrichtet. Jedenfalls ein paar Stunden. Bei mir war das noch anders. Im Bachelor habe ich ein zweiwöchiges Praktikum an einer Schule machen müssen, in dem ich lediglich hinten in der Klasse saß und zuschaute. Unterrichten? Fehlanzeige – musste man nicht.
Erst im Master hatte ich meine zwei sechswöchigen Unterrichtspraktika, in denen man dann zwei mal 6 Stunden unterrichten musste. Wer aber in dem Moment merkt, dass man eigentlich gar nicht vor einer Klasse stehen will, hat zunächst ein Problem. Und das kann durchaus passieren. Wie soll man wissen, ob einem das Unterrichten liegt, wenn man es nicht direkt am Studienanfang ausprobiert?
Innerhalb von 5 Jahren habe ich also 14 Wochen in einer Schule verbracht. Nicht ganz angemessen in Hinblick auf mein Berufsziel.
Idealismus vs. Realität: Über die Realitätsnähe
Es ist schade, das so sagen zu müssen, aber selbst in den Veranstaltungen, in denen ich wertvolle Erkenntnisse und Inhalte für meinen Beruf erwartet hatte, kam es eher selten dazu. Die Veranstaltungen verliefen nahezu alle ähnlich: Unerfahrene Studenten hielten Vorträge über bestimmte Themen und sollten den anderen Studenten zeigen, wie der Hase läuft.
Im Gedächtnis ist mir bis heute eine Szene aus meinem Unterrichtspraktikum im Master geblieben. Ich unterrichtete eine 9. Klasse, sehr unruhig, keine Erfahrungen in Gruppenarbeiten und setzte daher auf ein Unterrichtsgespräch mit relativ hoher Schülerbeteiligung. Für meinen damaligen Kenntnisstand lief es eigentlich ganz gut – es war ja mein erster Unterrichtsversuch. Im Reflexionsgespräch konnte ich das Vorgehen ganz klar begründen, aber mein Dozent ermahnte mich, dass Frontalunterricht nie gut sei und ich Gruppenarbeiten hätte machen müssen. Das kam mir damals so realitätsfern wie heute vor. Eine Lehrerin, die unser Gespräch mithörte, kam danach zu mir und sagte, ich solle mir nichts dabei denken: Die Dozenten der Uni seien realitätsfern.
Das habe ich häufig so erlebt. Es gibt diese Ideale, die in der Uni vermittelt werden, aber mit Realität hat das nicht immer zu tun. Einige meiner Mitstudenten haben den Master absolviert und sind danach direkt in der Didaktik an der Uni geblieben, um dort wiederum neuen Studenten zu erzählen, wie der Hase in der Schule läuft. Ihr wisst, was ich meine, oder? Das „echte“ Leben als Lehrer kennen viele einfach nicht, häufig wurde nicht einmal das Referendariat absolviert – weitergegeben werden die theoretischen Ideale.
Was hat mir mein Studium gebracht?
Nach meiner Ausführung könnte man denken, das Lehramtsstudium sei für mich vertane Zeit gewesen. Und obwohl ich das lange so gesehen habe, habe ich für mich doch einiges aus dieser Zeit mitnehmen können. Ich habe von der Pike auf gelernt, wie man wissenschaftlich arbeitet. Und das ist ein wichtiger Aspekt – nicht nur für die Schullaufbahn, sondern für die persönliche Bildung und das lebenslange Lernen, das mit dem Lehrerberuf einhergeht. Das ist tatsächlich auch etwas, was man seinen Schülern ansatzweise mitgeben möchte: in Facharbeiten, im Abitur.
Andererseits habe ich mir in den Jahren meines Studiums ein fundiertes Fachwissen der Mathematik und Informatik aneignen können. Diese bilden eine gute theoretische Grundlage für das Wissen und die Kompetenzen, die ich heute vermittle. Ganz egal, ob diese weit weniger tief in die Materie eindringen.
Was hat mir das Studium nicht gebracht?
Was mir das Studium ganz eindeutig nicht gebracht hat, ist eine fundierte didaktische Ausbildung. Auch wichtige theoretische Grundlagen für mein heutiges, didaktisches Handeln fehlten mir: Ich wusste nach dem Studium nichts über digitale Medien, Inklusion, Differenzierung. Das selbstständige Aneignen von Inhalten ist definitiv ein Muss, aber etwas mehr hätte es definitiv sein können. Denn ich habe ja bewusst ein Lehramtsstudium abgeschlossen, kein fachwissenschaftliches der Mathematik oder der Informatik.
Nicht selten habe ich seit meinem Abschluss gehört, dass man die Inhalte des Studiums nie wieder gebraucht hat. Das halte ich für grundlegend falsch. Das Studium sollte gerade ein solches Fundament bilden, auf das man sich im Beruf stützen kann. Deshalb ist das Referendariat nach dem heutigen Stand ganz zurecht Teil der Ausbildung. Gefühlt fängt man nochmal bei Null an. Theorie und Praxis klaffen halt häufig auseinander, viele Grundlagen fehlten mir.
Wie sollte sich das Lehramtsstudium verändern?
Zunächst einmal ändert sich im Lehramtsstudium permanent etwas, ich kann mich also nur auf mein Studium beziehen und natürlich auch nur auf das, was ich der Humboldt Universität absolviert habe. Wie müsste das Studium aussehen, das mir mehr gebracht hätte?
Prinzipiell müsste sich das Studium inhaltlich am „Puls der Zeit“ im Sinne der modernen Didaktik orientieren, um rechtzeitig auf neue Anforderungen reagieren zu können. Dafür ist eine permanente Anpassung und ein vorausschauendes Agieren in der Themenzusammenstellung notwendig.
Ganz deutlich müsste sich der Praxisanteil ändern. Gerade das Bachelorstudium ist fernab jeglicher schulischer Realität. Ein verpflichtendes Praktikum, um erste Erfahrungen im Unterrichten zu sammeln, fehlt. Auch, um zu erkennen, ob man wirklich Lehrer werden möchte (und kann!). Im Master-Studium ist das eingeführte Praxissemester genau der richtige Weg. 6-wöchige Unterrichtspraktika geben keinen genügenden Einblick in den Schulalltag.
Didaktische Veranstaltungen müssen effektiver und gewinnbringender werden. Vorträge von Mitstudierenden, die genauso viel Erfahrung aufweisen, bringen nichts. Sie müssen von echten Lehrern geleitet werden. Nun gut, wir wissen alle, dass ohnehin Lehrermangel herrscht, aber die Ausbildung leidet darunter, Dozenten mit wenig (oder sogar gar keiner) Erfahrung im Lehrerberuf und mit dem theoretischen Uni-Tunnelblick auf die zukünftigen Lehrer loszulassen.
Theoretisches Fachwissen ist wichtig und die Grundlage aller universitären Bildung. Ein derartiger Tiefgang in die Materie ist aus meiner Sicht oft aber gar nicht notwendig. Die verbleibende Zeit könnte besser in weitere Praktika oder zusätzliche didaktische Veranstaltungen investiert werden.
Soweit zu meinen Erfahrungen mit meinem Studium an der Humboldt Universität. Vertane Zeit? Keineswegs. Aber keine gute Vorbereitung auf meinen Beruf. Ich bin neugierig – wie habt ihr eurer Studium empfunden? Allein hier in Berlin hört man, je nach Uni, ja ganz unterschiedliche Dinge. Denkt ihr auch, dass das Lehramtsstudium revolutioniert werden müsste? Oder wart ihr zufrieden mit eurer universitären Ausbildung? Lasst es mich wissen!
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Ich fange bald mit meinem Studium an mit 29. Eigentlich schon zu spät. Aber bin jetzt schon sehr gespannt darauf und freue mich schon. Danke für den Beitrag.
Lg Lisa
Liebe Lisa,
es ist nie zu spät Ich selbst habe den Weg zum Lehrerberuf auch erst mit Mitte 20 eingeschlagen. Es war die beste Entscheidung, die ich bisher getroffen habe. Ich wünsche dir viel Spaß und eine erkenntnisreiche und spannende Zeit!
Liebe Grüße
Jennifer
[…] Interessante ist, dass ich davor immer eine riesige Angst hatte, als ich noch studierte. Praxis war eine derart große Mangelware, dass ich lange befürchtete, ich könnte mich umsonst durch die anstrengenden Jahre des Studiums […]