Die Grippewelle geht herum und überall sieht man schnaufende, hustende Menschen. Auch die Tore der Schule machen davor natürlich keinen Halt. Häufig werden Lehrer belächelt, manchmal sogar angefeindet: So oft Ferien, die mit Urlaub verwechselt werden, so tolle Arbeitszeiten, da der Mythos des arbeitsfreien Nachmittags sich hartnäckig hält und natürlich ständig krank, sodass wertvolle Unterrichtsstunden ausfallen müssen. Heute möchte ich über ein Phänomen sprechen, das neulich Thema einer Unterhaltung im Lehrerzimmer zwischen Kollegen und mir war: Das Nicht-Krank-Sein-Können. Die Aussage meines Kollegen „Krank? Heute lieber nicht.“ fand ich so passend, dass ich sie zum Titel meines heutigen Beitrags gemacht habe.
Wie es vor meinem Lehrer-Dasein war
Ich habe vor dem großen Cut in meiner Berufslaufbahn ja bereits als medizinische Fachangestellte gearbeitet. Ich war nie ein Mensch, der leichtfertig zu Hause geblieben ist. Wenn es mir aber wirklich schlecht ging, habe ich die Notbremse gezogen und mich krankschreiben lassen. Natürlich hat man in dem Moment manchmal ein schlechtes Gewissen. Die Arbeit, die man sonst machen würde, bleibt ja an den Kollegen hängen, die deshalb dann einen stressigeren Arbeitstag haben. Aber weitere Konsequenzen gab es für mich nicht. Die Arbeit würde auch in meiner Abwesenheit erledigt werden und ich gehe ganz normal arbeiten, wenn ich wieder gesund bin.
Das Nicht-Krank-Sein-Können: Ein Phänomen der Lehrer
Natürlich hat man auch als Lehrer ein schlechtes Gewissen, wenn die Kollegen für einen einspringen müssen. Aber wir sind ja auch Vorbild: Sollten wir den Schülern wirklich zeigen, dass man sich auch krank zur Arbeit quälen muss? Sollten wir ihnen vormachen, dass es völlig in Ordnung ist, andere Menschen in unserer Umgebung anzustecken? Nein, irgendwie ja auch nicht.
Die Krankmeldung hier ist wirklich kein großes Hindernis. Erst am dritten Tag müssen wir Lehrer (und prinzipiell die Angestellten im öffentlichen Dienst) zum Arzt, um uns eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung zu organisieren. Doch selbst ein oder zwei Arbeitstage nehmen sich viele Lehrer nur ungerne, um sich auszukurieren. Auch ich gehöre dazu und die Kollegen um mich herum, mit denen ich gestern im Lehrerzimmer zusammen saß.
„Krank sein? Das kann ich mir gar nicht leisten.“ „Krank? Ne, heute lieber nicht.“ „Den einen Urlaubstag, der uns im Jahr zusteht nehmen? Das mache ich seit Jahren nicht. Irgendwann wird man dann dazu gezwungen.“
Krank? Ne, heute lieber nicht.
Diese Aussagen passen so gar nicht ins Bild, das Eltern und die Öffentlichkeit immer mal wieder von den Lehrern zeichnen. Die Realität, die ich jeden Tag miterlebe, sind nicht die dauerkranken Lehrer, die ständig und wegen jedes Wehwehchens zu Hause bleiben. Natürlich gibt es das auch – keine Frage. Aber die Realität, auf die ich jeden Tag im Lehrerzimmer treffe, ist die der Lehrer, die hochmotiviert sind. Die Angst um jede Unterrichtsstunde haben, die ausfallen muss. Die genau wissen, dass sie die ausgefallene Stunde irgendwie wieder aufholen müssen und das in Stress für die Klasse und sich selbst ausartet. Die Lehrer, die sich lieber wochenlang krank durch den Unterricht schleppen als sich ein paar Tage auszukurieren, um voller Energie wieder durchzustarten.
Und weißt du was? So bin ich auch. Und ich bin nicht stolz drauf. Ich liebe meinen Beruf und nehme deshalb in Kauf, mich selbst zurückzustellen. Was sagt es über die Arbeitsbedingungen aus, wenn man als Lehrer Angst hat, krank zu werden und auszufallen? Wenn man sich lieber mit Fieber durch den Alltag schleppt als sich ins Bett zu legen, wo man hingehört? Und das ist, in meinem Fall, keineswegs auf die Schulleitung zurückzuführen, die sehr verständnisvoll reagiert und direkt alles umorganisiert.
Es ist das Ergebnis des Drucks, der von außen auf uns Lehrer aufgebaut wird. Rahmenlehrpläne, die nur geschafft werden, wenn man im Eiltempo durch die Themen fliegt. Am liebsten immer mehr Stunden unterrichten. Ich fang jetzt gar nicht erst von den zusätzlichen Aufgaben an. Wer bleibt am Ende auf der Strecke? Die Schüler, die qualitativ hochwertigeren Unterricht bekommen sollten, der aber nur mit Zeit realisiert werden kann. Und die Lehrer, die qualitativ hochwertigen Unterricht geben wollen, und deshalb darauf verzichten, sich krankzumelden. Selbst, wenn es nötig wäre. Ich finde das erschreckend.
Und nun?
Doch am Ende baden wir den Schlamassel selbst aus. Zwei Stunden sind ausgefallen? Tja, dann schau ich mal, wie ich das wieder gerade biege. Der Klassenarbeitstermin steht schließlich schon seit Monaten fest. Die übervollen Stundenpläne und Rahmenlehrpläne tun ihr Übriges dazu bei und setzen uns unter Druck. Ich bin der Meinung, das Zusammenspiel der Faktoren kann nur nach hinten losgehen. Eines ist klar: Es muss sich etwas ändern. Wir müssen achtsamer mit uns selbst sein. Gesundheit ist so wichtig. Wir müssen besser auf uns aufpassen und dafür auch mal fünf gerade sein lassen.
Da sich die Rahmenbedingungen in absehbarer Zeit wohl eher nicht verbessern, müssen wir uns selbst schützen. Das schreibt sich jetzt so leicht, wird aber eine riesige Aufgabe für mich sein – vermutlich auch für den ein oder anderen, der dieses jetzt liest. Dennoch müssen wir diesen Schritt gehen. Wir tun uns keinen Gefallen, sondern machen uns dadurch im schlimmsten Fall ernsthaft krank. Also geh auch du den richtigen Weg, vergiss das Nicht-Krank-Sein-Können und bleib krank zu Hause. Für mich ist es der feste Vorsatz. Denn ich bin mir wichtig. Und du solltest es dir auch sein.
Ich bin wirklich gespannt: Kennt du das Phänomen? Bist du schon da, wo ich gerne hin möchte? Erzähl mir davon! Ich freue mich auf deinen Kommentar.
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Oh ja, das kenne ich auch. Aber, ähnlich wie du, habe ich früher unter anderen Arbeitsbedingungen gearbeitet. Ich fand es noch ok, vor dem Rechner zu sitzen, auch wenn nicht ganz fit, dieses „ein wenig Schnupfen und Husten“ einfach mit zur Arbeit „mitzunehmen“. Lustigerweise gibt es wohl in keiner Position den richtigen Zeitpunkt, um krank zu werden – bei mir waren es Deadlines, Auftragsflut usw. Aber die Arbeit als Lehrer erfordert unseren kompletten Körpereinsatz, auch ohne Stimme unterrichtet sich denkbar schlecht. Im Ref. kommen noch die UBs dazu – wenn man die verschiebt, muss man ja nach alternativen Terminen suchen, was nicht immer so leicht ist (davon könnte ich, im Anpassungslehrgang, ein Lied singen). Was also tun? Und obschon wir ja alle wissen, dass die Gesunheit vorgeht, ist eine Entscheidung alles andere als leicht.